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Gefragt: Qualitatives Wachstum am Standort Schweiz

  • Autorenbild: Remo Daguati, CEO LOC AG
    Remo Daguati, CEO LOC AG
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 13 Stunden

Mehr Fläche, mehr Unternehmen, mehr Produktion, mehr Beschäftigte. Das extensive Wachstumsmodell der Schweiz stösst immer mehr auf Wachstumsmüdigkeit und Gegnerschaft. In einer Welt rasanter technologischer Veränderung, globaler Konkurrenz und zunehmender Ressourcenknappheit wäre eine neue Form des intensiven, qualitativen Wachstums gefragt wie nie zuvor.


Der Umbruch verlangt nach einem nachhaltigeren, widerstandsfähigerem Wirtschaftsmodell – nach einem Wachstum in der Tiefe. Die Schweiz, mit ihrer Tradition der Präzision, Innovation und Spezialisierung, könnte konsequenter auf intensives, qualitatives Wachstum setzen und noch gezielter strukturelle Spezialisierung betreiben — insbesondere in Bereichen, in denen sie reale Chancen auf globale Exzellenz hat. Themen sind Life Sciences (Health, Food), Headquarters und Functional Hubs (Functions, Research & Development), Automation/Robotics (Lean Manufacturing, Humanoid Technologies) sowie Defence & Cyber-Security (Drones, AI-Data-Centers). Doch dafür müsste die Standortpolitik neu ausgerichtet werden. Sind Bund, Parteien, Verbände und Wirtschaft und Forschung dafür zu gewinnen?


Weniger Breitenwachstum

Warum sollte die Schweiz agieren und nicht lamentieren? Moderne Herausforderungen – von alternden Gesellschaften über Fachkräftemangel bis hin zur Digitalisierung – lassen erkennen: erfolgreiche Volkswirtschaften setzen nicht mehr auf Breitenwachstum, sondern auf Wertschöpfung, Produktivität, Innovation und Spezialisierung. Digitale Transformation, Automatisierung und Robotik haben das Potenzial, Arbeit effizienter und hochwertiger zu machen – und so den Schweizer Arbeitsmarkt unabhängiger von Massenzuwanderung oder ungebremster Expansion zu machen (im Sinne einer Talentstrategie). Dazu bräuchte es aber einen grösseren Plan, der heute noch nicht in aller Konsequenz verfolgt wird.


Mehr High-Value-Sektoren

Ein gezielterer Fokus auf High-Value-Sektoren könnte der Schweiz helfen, sich weltweit als Kompetenzzentrum zu behaupten. Life Sciences etwa – Gesundheit, Biotech, Food Innovation – sind globale Wachstumsmärkte mit stark steigender Nachfrage. Hier verfügt die Schweiz bereits über eine starke industrielle wie technologische Basis. Doch es geht nicht nur um Pharma-Produktion: Vielmehr sollte die Schweiz mehr Wert auf Forschungs- und Entwicklungs-intensive Ökosysteme legen, also auf die Fertigung mit hoher Wertschöpfung, auf Innovation und auf die Verbindung mit globalen Märkten. Ergänzend dazu sind Service-Modelle (Design, Services, Qualität, Supply Chains, Support etc.) zu schaffen, welche Technologie und Dienstleistungen gekonnt paaren.


Automatisierung und humanoide Technologien

Ähnliches gilt für Automation, Robotik und insbesondere humanoide Technologien: Die Schweiz weist – trotz relativ kleiner Grösse – durchaus Potenzial auf. In Bereichen wie KI, Robotik und Automation spielt sie im vorderen Feld der Volkswirtschaften, doch die Konkurrenz – vor allem in Asien und den USA – schläft kaum oder ist schon auf der Überholspur. Wer nicht ausbaut und spezialisiert, riskiert, den Anschluss zu verlieren. Die konsequente Spezialisierung auf Robotics und Automation könnte der Schweiz helfen, technologische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern – gerade in Branchen, wo Präzision, Stabilität und Qualität entscheidend sind. Stattdessen drohen aber – ganz in europäischer Manier – die Überregulierung jeglicher Ansätze. Roboterlieferungen werden wegen fehlender gewerbepolizeilicher Bewilligung gestoppt. Dies kann nicht der Anspruch einer Spitzennation sein.


Hubs

Ein weiterer Fokusbereich sind Headquarters und Functional Hubs – also zentrale Management-, Research- oder Entwicklungsfunktionen internationaler Firmen. Historisch war die Schweiz für viele multinationale Konzerne ein attraktiver Standort: gute Infrastruktur, stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen, hoher Lebensstandard, steuerliche und regulatorische Verlässlichkeit. Doch in jüngerer Zeit hat die Schweiz viel Boden verloren – viele multinationale Unternehmen verlegten Funktionen ins Ausland, etwa Shared Services, aber auch Kompetenzzentren. Auch hier besteht die Notwendigkeit, bewusst gegenzusteuern: durch aktive Standortpolitik, durch Förderung von Hubs in Arealentwicklungen, durch gezielte Anreize für Firmen, Führungs-, Finanz- und Forschungseinheiten hierher zu verlagern oder zu halten (insbesondere im Rahmen der OECD-Steuerreform). Mit einem klaren Bekenntnis zu qualitativer Tiefe – statt ausufernder Breite – kann die Schweiz ihre Rolle als internationaler Hub zurückgewinnen.


Sicherheitstechnologien

Nicht zuletzt gewinnt das Thema Defence – Cybersecurity und Drones-/Robotik-Technologien  – angesichts geopolitischer Risiken und zunehmender Bedrohungslagen strategische Bedeutung. Ein starkes Ökosystem in den Bereichen Cybersecurity, Drohnentechnologie, Robotik und digitale Verteidigung (Defence Cluster Switzerland) stärkt nicht nur die nationale Sicherheit, sondern auch den Wirtschaftsstandort. Die Nachfrage bleibt global — die Exzellenz reift aber in der Schweiz. Zudem sind mit der Entwicklung von Sicherheitstechnologien oft auch namhafte zivile Anwendungen bzw. Innovationen verbunden (Transport- und Reinigungsdrohnen, Exoskeleton, Datensicherheit etc.). Für den Erfolg einer solchen Stossrichtung sind die aus der Zeit gefallenen Exportrestriktionen für Verteidigungs- und Sicherheitstechnologien zwingend zu lockern. Zudem sollte der Bund klare Signale senden, wie er seine zukünftigen Beschaffungen im militärischen Bereich zum Vorteil eines nationalen Defence-Ökosystems ausrichtet.


Mehr qualitatives Wachstum

Ein mehrschichtiger Mix aus qualitativer Spezialisierung auf gezielte, aber strategisch starke Sektoren ist langfristig auch aus volkswirtschaftlicher Sicht das nachhaltigste Modell. Damit verbunden ist eine Verlagerung von extensiven zu intensiven Wachstumsfaktoren: Also mehr Wertschöpfung pro Kopf, mehr Innovationsdichte, mehr technologische Tiefe, statt stetigem Flächen-, Kapazitäts- und Mitarbeiterzuwachs. Die Schweiz muss sich die Frage stellen, wo sie wirklich führend sein kann und will. Entsprechend müssen auch Raum- und Verkehrsplanung neu ausgerichtet werden. Deren Prozesse sind heute von einem rückständigen, einseitigen ökologisch-sozialen Dogmatismus geprägt, der zu langwierigen, kaum mehr bestreitbaren Verfahren führt. Damit entfällt die räumliche Wettbewerbsfähigkeit, welche zurückerobert werden muss.


Neue Rahmenbedingungen

Die Schweiz ist bislang gut ohne Industriepolitik gefahren. Sie sollte dies aber nicht damit verwechseln, ihre Standortpolitik ohne klaren Plan den Launen der globalen Verschiebungen auszusetzen. Ein Kurs in Richtung qualitatives Wachstum braucht ein klares politisches und wirtschaftliches Commitment: entschlackte Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation, gezielte Förderung von Clustern und Ökosystemen, attraktive Bedingungen für Hubs und Headquarters, Bildungs- und Hubsysteme für neue Technologien und Automation, und ein Verständnis dafür, dass Wachstum nicht per se quantitativ, sondern vor allem qualitativ erfolgen muss. Planungsverfahren sind rigoros zu entschlacken und zu beschleunigen. Besonders in einer Zeit, in der die globalen Standortfaktoren — Regulierung, Fachkräfteknappheit, Wettbewerbsdruck, geopolitische Unsicherheit — dynamisch sind, dürfte ein solcher Fokus auf Qualität und Spezialisierung der Schlüssel sein, damit die Schweiz auch künftig wirtschaftlich erfolgreich und widerstandsfähig bleibt.



Links zum Blog:


Die Schweiz ist wachstumsmüde – und fremdelt mit sich selbst (Thomas Fuster, NZZ, 6.12.25)


Stadt-Land-Monitor 2025 (Sotomo)



Relevante LOC Blogs:


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Zukunft der Raumplanung:


Qualitatives Wachstum

 
 

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