Was US-Strafzölle für den Standort Schweiz bedeuten
- Remo Daguati, CEO LOC AG
- 4. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
In einem international vernetzten Standort wie der Schweiz haben Zölle weitreichende Folgen für Standortentscheidungen, globale Lieferketten und ausländische Direktinvestitionen. Falls mit den USA kein Deal gelingt, drängt sich eine Fitnesskur bei den Rahmenbedingungen auf.
Mit der geplanten Einführung von 39 % Strafzöllen auf bestimmte Schweizer Exportgüter durch die USA rückt die zollpolitische Verwundbarkeit exportorientierter Volkswirtschaften wie der Schweiz schlagartig ins Zentrum wirtschaftsstrategischer Überlegungen. Falls Nachverhandlungen scheitern, muss dies für die Rahmenbedingungen am Standort Schweiz zum Weckruf werden.
Exportnation unter Druck: Strafzölle auch als Standortnachteil für Direktinvestitionen
Die Schweiz ist traditionell auf den freien Zugang zu globalen Märkten angewiesen. Über 40 % ihres Bruttoinlandprodukts werden durch Exporte erwirtschaftet – mit den USA als einem ihrer wichtigsten Handelspartner. Die Einführung von 39 % Strafzöllen stellt für betroffene Unternehmen aus der Schweiz einen massiven Kostenschock dar, der die Wettbewerbsfähigkeit auf dem US-Markt drastisch verschlechtern kann. Besonders betroffen sind dabei Branchen wie Maschinenbau, Pharma und Hersteller von Präzisionsinstrumenten. Derart erheblich veränderte Rahmenbedingungen verschieben auch das Kalkül international tätiger Unternehmen: Die Schweiz als Produktionsstandort verliert im globalen Vergleich an Attraktivität, wenn sie durch aussenwirtschaftspolitische Konflikte und protektionistische Massnahmen Dritter in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Risiko, Ziel wirtschaftspolitischer Sanktionen zu werden, fliesst zunehmend in die Bewertung von Standortalternativen ein.
Reaktionen auf Handelsbarrieren: Ausweichen statt Exportieren
Die klassische Reaktion auf hohe Zölle ist die Verlagerung der Produktion ins Ausland – in diesem Fall in die USA selbst oder in nahegelegene Freihandelszonen mit vorteilhafteren Bedingungen. Damit verbunden ist häufig eine ausländische Direktinvestition: Unternehmen bauen vor Ort Produktionskapazitäten auf, um die Zölle zu umgehen und weiterhin Zugang zum Markt zu behalten. Dieser Trend zur sogenannten „Marktbearbeitung über Präsenz“ statt über Export wird durch Zollrisiken beschleunigt. Für Schweizer Unternehmen bedeutet dies nicht nur höhere Investitionskosten, sondern auch einen Know-how-Transfer ins Ausland – oft verbunden mit einem schmerzlichen Bedeutungsverlust des Heimatstandorts. Gleichzeitig entstehen langfristige Verpflichtungen im Zielland, etwa gegenüber Arbeitskräften oder Regulierungsbehörden, die strategisch gut überlegt sein müssen.
Nachteilige Zölle: Neue Realität für den Standort Schweiz?
Die Schweiz ist zwar Mitglied der EFTA und verfügt über ein weit verzweigtes Netz an Freihandelsabkommen, doch im Fall der USA besteht derzeit kein bilaterales Abkommen mit umfassendem Zollabbau. Dies schwächt die Verhandlungsposition und erhöht die Abhängigkeit von aussenpolitischen Entwicklungen. Während andere Länder – etwa EU-Mitgliedstaaten – in Handelsstreitigkeiten kollektive Verhandlungsmacht aufbauen können, agiert die Schweiz weitgehend allein. Mittelfristig könnten politische Anstrengungen zur Schaffung neuer Handelsabkommen oder zur Wiederbelebung multilateraler Institutionen wie der WTO eine gewisse Stabilität zurückbringen. Kurzfristig jedoch sind Unternehmen gezwungen, auf operativer Ebene zu reagieren: durch Standortdiversifizierung, das Redesign von Lieferketten oder sogar durch Produktanpassungen zur Zollvermeidung.
Weckruf zur Optimierung von Standortfaktoren
Die Einführung von Strafzöllen durch einen wichtigen Handelspartner wie die USA sollte nicht nur für Schweizer Unternehmen, sondern auch für den Standort Schweiz, ein Weckruf sein. Standortentscheidungen werden künftig noch stärker durch geopolitische Risiken und protektionistische Tendenzen geprägt. Die Schweiz muss sich aber als Hochlohnstandort strategisch neu positionieren. Sie wird nicht darum herumkommen, den Mehraufwand durch Zölle durch Effizienzgewinne am Standort Schweiz zu kompensieren. Dies kann durch eine gezielte Innovationsförderung oder eine weitere Optimierung der Unternehmensbesteuerung erfolgen, z. B. durch gezielte Steueranreize für forschungsintensive Betriebe oder ein Aussetzen der OECD-Steuerreform. Auch wird ein Ausbau der Sozialwerke durch geplante Erhöhungen bei den Arbeitgeberbeiträgen politisch neu zu beurteilen sein. Schliesslich sollten konsequent, langfristig wirkende Massnahmen getroffen werden, welche den Abbau regulatorischer Hürden zum Ziel haben, etwa durch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (v.a. im Planungs- und Bauwesen) oder bei Import- wie Exportkontrollen. Ein Weckruf ist gefragt.

Symbolbild: ChatGPT